Ich muss zugeben, dass ich lieber gesund wäre als krank.
Dennoch ist dieses Buch keine Leidens-, sondern eine Lebensgeschichte, deren Subjekt auf der Mitte des Wegs, zur Unzeit also, sich konfrontiert sieht mit einer unheilbaren (chronisch hört sich weniger bedrohlich an), progredienten, degenerativen Erkrankung: Morbus Parkinson.
Das Buch handelt davon, welche Rolle Literatur bei dem Versuch spielt, der potentiell zerstörenden Kraft dieser Krankheit eine schöpferische Kraft entgegenzusetzen.
Denn es gibt einen Weg zwischen der Skylla der Verzweiflung bei lebendigem Leibe und der Charybdis der Angebote einer wachsenden Zahl von Krankheits-Profiteuren.
Weder mit der christlichen Deutung Läuterung durch Leiden noch dem psychoanalytischen Krankheitsgewinn und erst recht nicht mit der psychosomatischen Rede von Krankheit als Weg konnte ich mich anfreunden.
Dass Krankheit irgendeinen Sinn habe, kann bestenfalls der Kranke selbst behaupten – diese kühne These gehört also nicht in die Hände von Unberufenen –, die Lehre vom Krankheitsgewinn ist mir entschieden zu buchhalterisch und die heuchlerische Veredelung von Krankheit (»So macht auch Leiden noch Spaß!«) ist die Gartenzwerg – Variante der Theodizee.
 
»Ich sehe niemand auf der Straße«, sagte Alice.
»Ich wollte, ich hätte solche Augen«, sagte der König verdrießlich, »niemanden sehen können, auf eine solche Entfernung!«
Lewis Carroll, Alice im Wunderland
 
Diese Verdrießlichkeit des Königs ist für mich dagegen eine Quelle anhaltender Heiterkeit und eine Anleitung, Beklemmungen zu entkommen: Ich setze deswegen auf das Antidot der Literatur.
 
Beim Schreiben über Krankheit und Literatur gibt es allerdings eine Schwierigkeit:
Was ich schildere, habe ich ja nicht hinter mir, das Ende ist nicht absehbar, ist ungewiss. Ich kann also keine Linie von der Verzweiflung zum Triumph ziehen (klassisches Drama, geschlossene Form), sondern nur episodenhaft den Kampf zwischen Verzweiflung und Triumph schildern. Noch ist nichts entschieden. Der Kampf dauert bis zur Stunde an.
 
 
 
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